Thema: Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]

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Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]
06.01.2012 von Ad

Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]
06.01.2012 von Ad

Hallo zusammen,

kann sein, dass diese Frage schon oft gestellt und vllt. auch an anderer Stelle hier im Forum beantwortet wurde, finde aber leider keine Suchfunktion im Forum.

Da Alexithymie ja m.W. nicht als Krankheit oder Behinderung eingestuft ist, frage ich mich, ob es dennoch irgendeine "Teraphie" oder Möglichkeiten gibt, damit im Leben besser klarzukommen. Wenn Gefühlsblindheit ein Persönlichkeitsmerkmal ist (wie all die anderen auch), welches man nicht weg teraphieren oder "heilen" kann, was könnte man dennoch tun, damit sich die Auswirkungen im zwischenmenschlichen Bereich nicht so stark auswirken? Mir ist schon klar, dass es bei Alexithymie mindestens zwei unterschiedliche Sichtweisen gibt.

Einmal die mangelnde Fähigkeit, die Gefühle anderer Personen (richtig) zu erkennen und nachfühlen zu können. Und zum anderen (und das betrifft mich), die eigenen Gefühle nicht (mehr richtig) zu spüren und/oder adäquat ausdrücken zu können.

Die Möglichkeiten, den Zustand der "gefühlten Gefühllosigkeit" den ich verspüre, zu ändern, sind leider kontraproduktiv und nicht empfehlenswert, jedenfalls falls mir keine anderen ein. Es wäre für alle Betroffenen höchst bedauerlich, wenn es gar keine Möglichkeit gäbe, wenigsten ansatzweise eine Verbesserung herbeiführen zu können. Oder ist die Suche danach aussichtslos? Das wäre ja echt frustrierend!

Als ich meine Therapeutin danach gefragt habe, hat sie abgewunken und damit meine Hoffnungen zunichte gemacht, dass es einen Ausweg gibt.

Wie geht ihr denn mit dem "Leidensdruck" bzw. der Situation um? Ich setze das Wort bewusst in Anführungszeichen, weil ich ja keinen Leidensdruck in dem Sinne verspüre, weil ich quasi emotional (tief in mir drin), fast gar nichts empfinde. Das genau ist ja mein Problem - keine Gefühle mehr wahrzunehmen.

Es kommt mir so vor, als hätte ich mich vor langer Zeit mal dazu entschieden, meine Seele hinter einer Fassade einzumauern und nun da mir der Zustand nicht mehr gefällt, bin ich außerstande, die Mauern wieder einzureißen und meine verborgenen Gefühle zu befreien.

Re: Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Anonym]
06.01.2012 von Ad

Eine sekundäre Alexithymie, die z.B. durch traumatische Erfahrungen bei schrecklichen Ereignissen entstehen kann, gilt in der Regel als "heilbar".

Bei einer primären Alexithymie, wenn die Alexithymie z.B. angeboren ist, wird man in der Regel durch keine derzeit bekannte Therapie ein "normales" Gefühlsleben entwickeln.

Aber auch dann kann erreicht werden, dass Betroffene besser mit der Alexithymie bzw. mit ihren Mitmenschen umgehen können. Alexithyme kopieren unbewusst in bestimmten Situationen häufig das Verhalten ihrer Mitmenschen, um nicht aufzufallen. Das ist ja schon eine einfache Form des Lernens, damit umzugehen.

Es kann z.B. bewusst auf Gefühle geachtet werden. Bestimmte Reize können ausgelöst werden, die normalerweise ganze bestimmte Gefühle auslösen usw. Betroffene können sich selbstbewusst akzeptieren, statt sich "krank zu fühlen". Sie können Mechanismen lernen gefühlvoll zu handeln, auch wenn sie selbst nicht entsprechend fühlen. Evtl. vorhandene Folgeerscheinungen können behandelt werden.

Es gibt also schon einiges, was getan werden kann. Welche der Möglichkeiten wie weit hilft, hängt natürlich vom Einzelfall ab.

Ich persönlich versuche mir immer wieder vor Augen zu halten, dass ich die Welt evtl. ganz anders wahrnehme, als mein Gegenüber. In Gefühlsdingen verlasse ich mich eher auf meine Frau, als auf mich. Mit vielen solchen kleinen Hilfen komme ich bisher gut zurecht.

Authentiztität
10.01.2012 von Darok

[quote:2b9t0lmv]Alexithyme kopieren unbewusst in bestimmten Situationen häufig das Verhalten ihrer Mitmenschen, um nicht aufzufallen. Das ist ja schon eine einfache Form des Lernens, damit umzugehen. [/quote:2b9t0lmv]
Das mag ja stimmen aber ich möchte mich nicht verstellen (müssen) und die emotionalen Regungen anderer einfach nur kopieren und imitieren, nur um so zu tun, als würde ich etwas empfinden.

Ich möchte gern einen Weg finden, meine eigenen Gefühle wieder zu entdecken und ausdrücken zu können. Ich möchte authentisch sein, ohne eine aufgesetzte Maske mit einem falschen Lächeln, wenn mir nicht danach ist. Klar trage auch ich eine solche Maske und zwar aus Selbstschutz doch das hat eben nichts mit echten Gefühle und schon gar nichts mit echter Lebensqualität zu tun, wie ich mich selbst wahrnehme. Wenn ich etwas Lustiges erlebe, möchte ich darüber herzhaft lachen können; wenn ich traurig bin, möchte ich weinen können, usw. Dann gibt es noch die ganze Bandbreite anderer Gefühle zwischen Lachen und Weinen. Wo sind sie nur geblieben? Wie kann man sie zurückgewinnen? Wenn mich etwas beindruckt oder begeistert möchte ich Euphorie und Motivation verspüren. Ich möchte mich freuen, wenn ich etwas Leckeres esse. Ich möchte mich lebendig fühlen und nicht wie ein scheintoter Zombie, dessen Seele schon gestorben ist und der nur noch rumläuft, ohne wirklich am Leben zu sein. Ist das zuviel verlangt?

Ich denke, die primäre und die sekundäre Alexithymie hängen auch miteinander irgendwie zusammen. Meine Vermutung ist, wenn man nicht mehr wirklich in der Lage ist, in sich selbst hineinzufühlen dann gelingt es sicherlich auch nicht gerade gut, die Gefühle und Stimmungen anderer wahrzunehmen. Bei mir selbst frage ich mich, ob ich überhaupt noch zu (starken) Gefühlen/Emotionen/Affekten fähig bin, und sie bloß nicht mehr wahrnehme oder äußern kann oder ob ich meine Gefühle insgesamt, deren Bandbreite und die Tiefe der Empfinungsfähigkeit eingebüßt habe.

Das bringt mich zu der Frage, ob ich nicht nur gefühlsblind, sondern auch irgendwie schon regelrecht gefühlskalt geworden bin. Woher oder wie kann man das über sich selbst wissen? Wann ist man gefühlskalt im Gegensatz zu gefühlsblind? Ich kann ich ja immerhin noch für meine Interessen begeistern aber auch das findet bei mir eher auf einer rein rationalen Ebene des Verstandes statt und ist nicht wirklich emotional gesteuert. Wie "fühlt" es sich denn an, wenn einem praktisch vieles gleichgültig ist, was man erlebt, was einem früher mal etwas bedeutet hat? Mir fallen dazu nur Begriffe ein wie: Tristesse, Leere, gefühlte Gefühllosigkeit, Zombie, kaltes Herz, abgestumpft, tot, öde, Nebel, (Schutz-)Panzer.

Hat jemand positive Erfahrung mit der Ur-Schrei-Therapie?

Re: Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]
11.01.2012 von Anonym

Hallo,

[quote:2weh6azi]das hat eben nichts mit echten Gefühle und schon gar nichts mit echter Lebensqualität zu tun[/quote:2weh6azi]

Vielleicht musst du die Begriffe echte Gefühle und echte Lebensqualität für dich passender definieren, als es derzeit zu sein scheint. Deine vom Verstand gesteuerten Interessen z.B. sind doch echte Lebensqualität. Du hast vermutlich doch sogar ein verstandesmäßiges Gefühl von Spaß dabei. Aber o.k., ich bin nicht dein Psychotherapeut.

[quote:2weh6azi]Ich möchte mich lebendig fühlen und nicht wie ein scheintoter Zombie, dessen Seele schon gestorben ist und der nur noch rumläuft, ohne wirklich am Leben zu sein. Ist das zuviel verlangt?[/quote:2weh6azi]

Ein Zombie wurde lt. Definition umgebracht (bevorzugt mit Gift), begraben, wieder zum Leben erweckt und dient willenlos dem Täter. Ich vermute, dass dir nichts davon passiert ist. Du verlangst also unnötig. ;)

Im Ernst: Es gibt nicht einmal eine Instanz, bei der du verlangen kannst, nicht von Alexithymie betroffen zu sein. Du kannst von dir selbst verlangen, mit Unterstützung Anderer selbst daran zu arbeiten, dich lebendig zu fühlen. Aber du kannst nicht von anderen verlangen, dass du dich lebendig fühlst.

[quote:2weh6azi]Ich denke, die primäre und die sekundäre Alexithymie hängen auch miteinander irgendwie zusammen.[/quote:2weh6azi]

Natürlich hängen beide Formen irgendwie miteinander zusammen. Sie sind sogar ziemlich gleich. Die Unterscheidung bezieht sich auf die Ursachen von Alexithymie und damit auch auf die Änderungsmöglichkeiten.

[quote:2weh6azi]Meine Vermutung ist, wenn man nicht mehr wirklich in der Lage ist, in sich selbst hineinzufühlen dann gelingt es sicherlich auch nicht gerade gut, die Gefühle und Stimmungen anderer wahrzunehmen.[/quote:2weh6azi]

Diese Vermutung mag richtig sein, aber das Thema hat nichts mit der Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Alexithymie zu tun. Das gilt für beide Formen, die ja sowieso nicht überall unterschieden werden. Die Unterscheidung war bei der Erklärung der Änderungsmöglichkeiten in diesem Fall aber praktisch.

[quote:2weh6azi]Das bringt mich zu der Frage, ob ich nicht nur gefühlsblind, sondern auch irgendwie schon regelrecht gefühlskalt geworden bin.[/quote:2weh6azi]

Ich verstehe den Unterschied nicht, den du bzgl. Alexithymie zwischen gefühlsblind und gefühlskalt machst. Du meinst ja vermutlich mehr als gefühlsblind = ein bischen gefühlskalt.

[quote:2weh6azi]Ich kann ich ja immerhin noch für meine Interessen begeistern aber auch das findet bei mir eher auf einer rein rationalen Ebene des Verstandes statt[/quote:2weh6azi]

Das ist aus meiner Sicht vollkommen in Ordnung so.

[quote:2weh6azi]und ist nicht wirklich emotional gesteuert.[/quote:2weh6azi]

Warum deiner Meinung nach Interessen emotional gesteuert werden müssen, kann ich nicht nachvollziehen. Geschweige denn, wie das wäre. Unter emotional gesteuerten Interessen im Gegensatz zu vom Verstand gesteuerten Interessen kann ich mir nichts richtig vorstellen.

[quote:2weh6azi]Wie "fühlt" es sich denn an, wenn einem praktisch vieles gleichgültig ist, was man erlebt, was einem früher mal etwas bedeutet hat?[/quote:2weh6azi]

Nach dem, was ich von dir gelesen habe, weißt du doch, wie das ist. Du beschreibst doch, wie du es fühlst.

[quote:2weh6azi]Hat jemand positive Erfahrung mit der Ur-Schrei-Therapie?[/quote:2weh6azi]

Von Urschrei-Therapie speziell für das Thema Alexithymie habe ich noch nicht gelesen. Allerdings scheint die Urschrei-Therapie eine Möglichkeit zur Behandlung von Depressionen zu sein. Eine parallele Frage in einem Forum zu Depressionen macht deshalb Sinn, falls noch nicht geschehen.

Ich glaube, du musst noch klären, welche Rolle Alexithymie wirklich bei dir spielt. Viele psychisch Erkrankte zeigen alexithyme Merkmale. Aber oft auch Merkmale anderer solcher Konstrukte. Bei Depressiven ist z.B. Anhedonie ein anderes Konstrukt. Anhedonie hat einige Parallelen bzw. Überschneidungen zur Alexithymie und meiner laienhaften Meinung nach, steht in deinen Beiträgen einiges, was auch darauf passen würde. Vielleicht hat deine Therapeutin auch deshalb beim Thema Alexithymie-Therapie abgewunken, weil Alexithymie nicht das Hauptproblem ist und eine spezielle Therapie darauf bezogen keinen Sinn machen würde.

Re: Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]
13.01.2012 von Elana

Hi Darok

Ich denke, Anonym hat Recht. Bei mir wurde Alexithymie diagnostiziert, aber ich nehme die Alexithymie bei mir nicht unbedingt so wahr, wie Du sie beschreibst, also denke ich, dass die Alexithymie nicht die ganze Bandbreite dessen ist, was bei Dir vorliegt. Dein Leidensdruck weist eher auf eine Depression hin, würde ich mal vermuten. Alexithymie hat eher eine psychisch entlastende Funktion, d. h. Fröhlichkeit ist dann sogar eher möglich, vielleicht sogar an unpassenden Stellen.

Re: Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]
13.01.2012 von Darok

[quote="Elana":vjjedmfz]...
Alexithymie hat eher eine psychisch entlastende Funktion, d. h. Fröhlichkeit ist dann sogar eher möglich, vielleicht sogar an unpassenden Stellen.[/quote:vjjedmfz]

Ja, das trifft bei mir zu. Manchmal mach ich einen dummen Witz, kommentiere etwas Gesagtes, ohne in dem Augenblick daran zu denken, dass ich damit vllt. zu weit gehen könnte und/oder die Gefühle von jemandem unabsichtlich verletzen könnte. Das ist mir schon paar mal passiert. Machmal bin ich unabsichtlich regelrecht respektlos, indem ich etwas sage, was die betreffende Person in ihrer Rolle missachtet. Nicht lustig!

Für mich mag es kompliziert sein, meine Macken voneinander getrennt zu betrachten, wenn ich darüber nachdenke. Da ich nach meiner Vermutung alexithym, schizoid, depressiv, asexuell, schüchtern, introvertiert und verkopft :? bin. :roll: Da komme ich mir richtig "irre" vor. :o ;) Ich will es weder belustigend beschönigen noch hypochondrisch dramatisieren. Dies alles sind ja "nur" Gedanken, die wir hier austauschen. Von daher betrachte ich hier unser Forum, unsere kleine Community, den netten Gedankenaustausch zwischen uns, als echte Hilfe zur Selbsthilfe.

Danke Dir und Euch allen dafür!!! :) :) :)

Gruß
Darok

Re: Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]
13.01.2012 von shouqici

[quote="Elana":1l3nwlj4]Bei mir wurde Alexithymie diagnostiziert, aber ich nehme die Alexithymie bei mir nicht unbedingt so wahr, wie Du sie beschreibst, also denke ich, dass die Alexithymie nicht die ganze Bandbreite dessen ist, was bei Dir vorliegt. [/quote:1l3nwlj4]
Ja - ich denke mal, alle diese 'Macken und Störungen' sind ja keine festumrissenen und klar abgegrenzten 'Krankheiten', bei denen sozusagen 'ein bestimmter Erreger isoliert' werden könnte, sondern eher 'beschreibende Zugänge', die sich unter einem anderen Blickwinkel vielleicht ganz anders darstellen. Bei mir wurde festgestellt, dass "die Ergebnisse eindeutig auf das Symptom der Alexithymie hinweisen" und "uns von einer nicht näher bezeichneten Persönlichkeitsstörung ausgehen lassen, wobei schizoide Züge imponieren". Mit [i:1l3nwlj4]Allem[/i:1l3nwlj4] was einen Alexi ausmacht kann ich mich auch nicht identifizieren - ich denke die Bandbreite dieses Begriffs ist doch recht groß...

Zum Thread-Thema vermute ich dass es meist wohl darum geht, zu lernen damit klarzukommen, aber gerade [i:1l3nwlj4]dazu [/i:1l3nwlj4]eine Therapie recht hilfreich sein kann - auch wenn es [i:1l3nwlj4]im medizinischen Sinn[/i:1l3nwlj4] vielleicht keine 'Therapie' sein mag.

() shouqici

Re: Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]
14.01.2012 von Elana

Hallo zusammen

Interessant, dass bei uns auch noch eine vermutete oder diagnostizierte Persönlichkeitsstörung dazukommt. Bei mir ist es vor allem eine anankastische, die wie die schizoide sowieso auch alexithyme Eigenschaften aufweist und somit die Alexithymie begründet oder verstärkt. Eine primäre Alexithymie wäre dann wohl in Reinform gar nicht so gravierend und vielleicht eher als hereditären Grundtypus oder als Disposition zu werten, gäbe es da nicht solche Multiplikatoren durch Persönlichkeitsstörungen oder psychische und somatische Erkrankungen.

Re: Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]
14.01.2012 von Juggaboy

ich kann dich gut verstehn darok.. ich fühle das selbe wie du...nur manchmal kann ich wieder gefühle empfinden:

Wenn ich ein gutes buch lese und richtig in der story versunken bin.
Wenn ich träume oder im halbschlaf bin.

Re: Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]
14.01.2012 von Elana

Huhu Hallo

Diese empfundene Gefühlsstumpfheit kommt manchmal auch aus einer Depression heraus. Auch Drogen können dazu führen. Ich weiß, wovon ich rede. Mehrere meiner Geschwister waren drogenabhängig, ich konnte sie über Jahrzehnte hin in ihrer Entwicklung studieren. Auch Kiffen ist auf lange oder intensive Weise ähnlich wirksam wie z. B. Heroin. Es verändert die Persönlichkeit, führt in Depressionen, wo die Alexithymie als sekundäres Symptom dazukommt.

Also aufhören mit Drogen und ab in Therapie, wäre mein gutgemeinter Vorschlag!

Re: Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]
26.01.2012 von Elana

@Darok: Machst Du jetzt eine Urschrei-Therapie oder sonst etwas Ähnliches bei einem Therapeuten? Würde mich interessieren, wie Du Deine Alexithymie jetzt angehen willst.

Re: Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]
18.05.2012 von Darok

Hallo alle zusammen,

@Elana:
Bis jetzt hab ich die Urschrei-Sache noch nicht ausprobiert. Meine Psycho-Therapie ist beendet bzw. ich hab sie nicht nochmal verlängert, weil meine Therapeutin den Arbeitgeber gewechselt hat - da hatte ich dann keine Lust mehr, mit einem neuen Therapeuten wieder bei Null anzufangen und eine neue Beziehung aufzubauen. Sehr viel hat diese Gesprächstherapie mir auch nicht gebracht. Ich hab es aber wenigstens versucht.

Das mit den Folgen des Kiffens kann ich leider aus eigener Erfahrung nur bestätigen. Mir ist es so ergangen. Mit dem Kiffen kam erst die Soziophobie, dann die manische - überdrehte - Phase und danach die Depression bzw. depressive Phase. Jetzt nach zwei Jahren Clean-sein (nicht mehr kiffen) und mit Antidepressiva hat es sich bei mir eingependelt. Aber ich vermisse eben die positiven Gefühle, die wenn sie gelegentlich überhaupt auftauchen, dann nur noch schwach ausgeprägt sind. :( Ich muss mir selbst die Schuld an meiner Situation geben. Leider hab ich beim Kiffen erst zu spät erkannt, dass ich mit meiner Gesundheit spiele - und verloren habe. Hinterher ist man immer schlauer. Ich bedauere, dass ich diese Lektion auf die harte Tour lernen musste. Auch wenn es sich vielleicht für Euch so anhört, aber ich will mich wirklich nicht selbst bemitleiden. Ich möchte mich einfach hier nur mit Euch offen austauschen.

@Juggaboy:
Danke! Ja, ich kann mich auch an schönen Dingen oder Erlebnissen auf irgendeine Weise erfreuen. Für diesen Moment scheine ich mich dann (fast) normal oder "glücklich" zu "fühlen". :D Ich bin schon "froh" und zufrieden, wenn ich mich mal nicht depressiv fühle oder permanent müde und mich einfach nur noch ins Bett verkrümeln und meine Ruhe haben will, weil mir alles zu viel wird und einfach nur nervt. Ich versuche ja auch, mich an den kleinen Dingen des Alltags zu erfreuen. Wenn im Garten wieder die Blumen blühen, Vogelgezwitscher, gute Gespräche, meine Lieblings-TV-Serie(n) sehen oder was Leckeres essen sind zum Beispiel angenehme Dinge. Die machen für mich den Alltag erträglicher und das Leben lebenswert. :)

Meine Psychotherapeutin und mein Psychiater haben mir mehr oder weniger deutlich unabhängig von einander zu verstehen gegeben, dass ich nun mal so bin wie ich (geworden) bin. Daran lässt sich nicht allzu viel ändern und ich müsse es akzeptieren. :roll: Schon klar. Was bleibt mir auch anderes übrig, als zu versuchen, damit klar zu kommen und irgendwie dennoch das Beste für mich draus zu machen. :ugeek:

Ich wünsch(t)e mir, es gäb eine Art Schule oder VHS-Kurse, wo man hingehen und die (verlorgen geglaubte) Gefühle wieder neu entdecken und erlernen kann. So eine Art Wiederauffrischungs-Kurs.

1. Lektion: Heut lernen wir das Alphabet der Gefühle.
2. Lektion Gruppendiskussion: Mein schönstes und schlimmstes Gefühl
3. Lektion: kleines Gefühls-1 mal 1
4. Lektion: meinem Gefühl Ausdruck verleihen - Gefühle visualisieren (bildhaft darstellen)
5. Lektion: Gefühle anderer wahrnehmen und mitfühlen (Empathie)
6. Hausaufgabe: Urschrei - Lass es aus Dir raus!

Hihi! Wäre das nicht toll, wenn es so einen Kurs gäbe. Also ich würde mich zumindest dafür interessieren und vielleicht auch dran teilnehmen und etwas dafür bezahlen, falls nötig. Ich glaube die ehemaligen Hippies der 60er Jahre oder die 68er-Generation, die in Kommunen einen neuen Lebensstil für sich finden wollten, haben doch auch so "Selbst-Erfahrungs-Kurse" gemacht. Es muss ja nicht gleich zum Theaterspielen oder Ausdruckstanz (Ich tanze meinen Namen) alá Walldorf-Schule kommen. Aber vom Ansatz her finde ich das Thema irgendwie spannend, mehr über sich zu erfahren und auch unbekannte Seiten seiner Selbst (wieder) zu entdecken.

Re: Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]
18.05.2012 von Anonym

Sorry,

ich hatte meinen Beitrag falsch eingehängt. Weil er nicht löschbar ist, überschreibe ich hiermit.

Re: Teraphie oder Lernen damit klarzukommen? [von Darok]
20.05.2012 von Elana

Hallo Darok

Ich sage jetzt mal ganz frech: Du hast sehr wohl Gefühle, sonst könnest Du sie nicht vermissen. Du fühlst, dass Du fühlen willst, mehr fühlen willst, Du bist geradezu süchtig nach mehr Gefühlen. - Deshalb denke ich nicht, dass Du wirklich alexityhm bist, so wie ich es interpretiere, denn Menschen mit alexithymen Eigenschaften finden eben gerade diese Gefühlsduseligkeit und Gefühlsromantik absolut zum Kotzen und übertrieben intim und unnatürlich.

Ich würde sagen, Deine Therapeuten konnten Dir nicht helfen, weil Du etwas bei Ihnen suchst, das Du schon hast: Gefühle. Deshalb spürst Du den Schmerz in Dir, die Sehnsucht. Was denkst Du denn, was das ist? Gefühle!!

Ich finde ja eigentlich, dass Du sehr selbstbemitleidend wirkst, ein Gefühlsloch, das Du mit Gefühlsblindheit verwechselst. Wenn das so wäre, würdest Du sie nicht wahrnehmen.

Mein Vorschlag: Denke lieber mit dem Verstand, betrachte Dein Leben, ändere, was Dir daran nicht gefällt, erhole Dich weiter in der schönen Natur, das wirkt bekanntlich oft auf therapeutische Weise. Beeinflusse Deine Gefühle mit Deinem Verstand, steuere sie, denke weiter darüber nach, worüber Du noch dankbar sein kannst, die Natur, das Dach über dem Kopf, es gibt sicher noch mehr, wenn Du z. B. mit einem Kind in der Dritten Welt vergleicht, das jeden Tag für sein Essen schuften muss und dabei oft auch leer ausgeht.

Warum willst Du mehr Gefühle? Gefühle sind unzuverlässig, schwankhaft, oberflächlich, unberechenbar und können sich jederzeit in ihr Gegenteil verwandeln. Ohne Vernunft, die der Gefühlswelt klare Strukturen gibt, steckst Du natürlich in einem Chaos von Ebbe und Flut, wo es typischerweise zu Paradoxien wie "Ich leide unter den fehlenden Gefühlen", ohne zu bemerken, dass Leid auch ein Gefühl ist, nur eben kein angenehmes.

Ganz lieben Gruß
Elana

Danke für Eure Hilfe und Anregungen
03.01.2013 von Darok

Hallo,

vielen Dank für Eure Antworten! Nachträglich wünsche ich Euch noch einen guten Start ins neue Jahr, voller Freude und Erfolge.

@Elena
Deine letzte Antwort gibt mir zu denken. Stimmt, vermutlich habe ich Gefühle aber durch die Depri leider meist nur negative und diese "gefühlte Gefühllosigkeit" im Sinne von innerer Leere. Wie schon gesagt, es ist nicht einfach zwischen den Begrifflichkeiten zu trennen, wenn man wie ich den Eindruck hat, mehrfach damit gestraft zu sein. Aber sei's drum. Ich versuche, mich nicht selbst zu bemitleiden. Aber immer gelingt es vermutlich dann doch nicht, wenn ich darüber nachdenke und mich wie hier mit anderen darüber schreibe/mich austausche. Unterschwellig bin ich natürlich mit diesem Zustand unzufrieden. Ob diese Unzufriedenheit nun bei mir "nur" verstandesmäßig, also in Form eines rationalen Werturteils zustande kommt oder ob ich sie emotional empfinde kann ich nur schwer einschätzen. Das mag wie schon gesagt an der meist vordergründigen Depression liegen.

Jedenfalls hast Du mir schon mit Deinen Antworten und vorallem mit der letzten eine andere Sichtweise gezeigt und damit meinen Horizont etwas erweitert. Ich will glauben, dass ich Gefühle habe - wenn auch nur selten und falls, dann eher flach ausgeprägt. Manchmal spiele ich die von mir erwarteten Gefühle wie ein Schauspieler vor. Dann zeige ich zwar Gefühle aber ich denke dabei immer, dass es gar nicht meine eigenen, echten Gefühle sind, weil ich sie ja nur vortäusche. Innerlich fehlt mir da der emotionale Aspekt, der Affekt in seiner Tiefe und Bandbreite. Aber egal.

Gut finde ich den Satz von Dir:
Beeinflusse Deine Gefühle mit Deinem Verstand, steuere sie, ...
Das will ich versuchen! Mehr als nicht gelingen kanns ja nicht.

Zugegeben, ich "leide" bzw. "jammere" hier schon auf sehr hohem Niveau, verglichen mit anderen Menschen. Versuche nun, nicht so eine Heulboje oder Memme zu sein. Danke, dass Du mir das (wieder) klar gemacht hast. Danke für Deine und Eure Hilfe! Alles grün.

LG
Darok

Antwort an Darok
11.01.2013 von Moeppel

Für mich mag es kompliziert sein, meine Macken voneinander getrennt zu betrachten, wenn ich darüber nachdenke. Da ich nach meiner Vermutung alexithym, schizoid, depressiv, asexuell, schüchtern, introvertiert und verkopft bin. Da komme ich mir richtig "irre" vor. Ich will es weder belustigend beschönigen noch hypochondrisch dramatisieren. Dies alles sind ja "nur" Gedanken, die wir hier austauschen. Von daher betrachte ich hier unser Forum, unsere kleine Community, den netten Gedankenaustausch zwischen uns, als echte Hilfe zur Selbsthilfe.

Auch wenn der Beitrag schon was älter ist, möchte ich dennoch kurz darauf eingehen.

Introvertiertheit ist keine Krankheit, als viel mehr eine Anlage, bzw. Orientierung. Zu viel Introversion, wie auch Extroversion, schaden einem Individuum aber immer, solang sie nicht ordentlich im Tandem funktionieren - zu viel von irgendetwas ist naturgemäß immer schädlich, da es die Kehrseite unterdrückt.

Desweiteren, solltest du dich persönlich als introvertierte Person sehen, so fällt Alexithymie aus dem Muster, da, meiner Ermeßens nach, die äußerliche Orientierung unter den hier Anwesenden (zumindest Anonym :P ) sehr hoch ist. Das widerspricht dem Prinzip dem introvertierem Ansatz gänzlich - auch der Kernpunkt warum ich für mich Alexithymie nicht als Volltreffer auffassen konnte.

Auch sonst machst du einen recht emotionalen Eindruck mit obrigen Posts, auch wenn diese sich in dein Bewusstsein drängen, ohne das du diese wahrnimmst. Ich persönlich würde sagen Trauer / Wut / Melancholie / Depression bilden sich ganz klar heraus - auch wenn die Mitteltöne ggbf. fehlen sollten bzw. nicht in Worte gefasst werden können.

Solltest du an Literatur interessiert sein, so empfehle ich dir das Buch "Grundformen der Angst" von Fritz Riemann, in diesem wirst du dich mit Sicherheit wiederfinden können. In dem ein oder anderem Spektrum auch mehr oder weniger extrem.

Da Wichtigste ist manchmal, salopp gesagt, einfach 'Eier zu haben' wenn es um den Ausdruck von Emotionen geht. Auch wenn es nicht sein natürliches Jargon ist, so wird sich auch nie was ändern wenn man keine Erfahrung sammelt. Im Falle von Schizoiden ist es häufig so, dass Betroffene es in etwa so beschreiben als seien sie intellektuell 50 aber emotional immer noch 10 jähriger Junge.

Unabhängig davon was es ist: Fehlende Erfahrung lässt sich immer nur mittels Erfahrung sammeln nachholen, und desto länger man es vor sich hin schiebt, desto größer wird der Schatten über den man letztlich springen muss - oder unter dem man zusammenbricht und sich weiter zurückzieht.

Ein gesichertes Umfeld ist aber sicherlich von großer Wichtigkeit, sollte man einen solchen Schritt unternehmen sollen - und damit meine ich nicht mal zwingend eine Therapie, als eine Vertrauensperson. Selbsttherapie durch sich 'in unbekannte, aber sichere Gewässer werfen' kann ebenfalls viel für das Wohlbefinden einer Person tun.

In dem Sinne, auf ein erfolgreiches Jahr 2013.

Antwort auf vorherigen Beitrag
11.01.2013 von Anonym

Hallo,

Desweiteren, solltest du dich persönlich als introvertierte Person sehen, so fällt Alexithymie aus dem Muster, da, meiner Ermeßens nach, die äußerliche Orientierung unter den hier Anwesenden (zumindest Anonym :P ) sehr hoch ist. Das widerspricht dem Prinzip dem introvertierem Ansatz gänzlich - auch der Kernpunkt warum ich für mich Alexithymie nicht als Volltreffer auffassen konnte.
Lasst euch da mal nicht irritieren. Web und Real-Life sind ein ganz großer Unterschied. Übrigens könnt ihr gar nicht introvertiert sein. Ihr schreibt ja hier. ;-)

Grüße

Hallo
18.01.2013 von SnowWhite

Hi Leute,

habe heute den Online-Test hier gemacht, einer "Eingebung" folgend bei google "kaltherzig" eingegeben und so recht schnell auf die Alexithymie gestossen. 140 Punkte bekommen (was auch immer das bedeuten mag).

Ich hatte zuvor noch nichts von Alexithymie gehört und muss mich jetzt mal ein wenig einlesen. Vermute aber, dass es ein "Volltreffer" ist. War bisher noch nicht in PT, wäre aber evtl. nötig ;-). Denke ich.

Bisher war ich von der Selbsteinschätzung her: als Kind melancholisch, später depressiv. Egoistisch. Hang zu Drogen vorhanden. Keine bis garkeine Freunde. Kann mich selbst nicht leiden...

Bin schon so lange ich mich entsinnen kann ein sehr "rationaler" Mensch. Die Gefühlswelt ist für mich sagen wir mal problematisch. Bin mental allein, aber habe eine kleine Familie, ich bin fast geneigt ein "leider" hinzuzufügen... "Gefühle" kommen kaum rein und auch kaum raus.

Sehr selten habe ich mal Gefühlsausbrüche, diese sind dann immer Richtung negativ/traurig und aggressiv . . . Meistens bin ich aber "kalt".



Im Falle von Schizoiden ist es häufig so, dass Betroffene es in etwa so beschreiben als seien sie intellektuell 50 aber emotional immer noch 10 jähriger Junge.


Das finde ich auch interessant... O mann, schreib bitte noch was dazu.

Gruß, Snow

Antwort auf Anfrage
19.01.2013 von Moeppel

Das finde ich auch interessant... O mann, schreib bitte noch was dazu.

Hallo,

sollte dich die Thematik wirklich interessieren, oder du glauben, dass es dich ggbf. betrifft, empfehle ich dir, oben genanntes Buch zu lesen (Grundformen der Angst von Fritz Riemann).

Über SPD gibt es leider nicht sonderlich viel aufschlussreiches im Internet zu finden, da die grundliegenden Dynamiken meist komplett verloren gehen, und man versucht es an rigiden äußerlichen Merkmalen festzumachen.

Tendenziell gelten Schizoide als 'Eigenbrötler' die nicht zwingend in das soziale Gefüge passen, da sie Normen, Regeln, und andere Sachen nicht zwingend interessieren. D.h jedoch nicht, das sie deswegen prinzipiell Verbrechen wären, oder zum ewigen Rebellen werden - denn zwischen zwei Extremen herscht immer sehr viel Grauzone - die Riemann ebenfalls klar verdeutlicht. Meist heißt das auch, dass das Leben des Schizoiden Zuhause stattfindet, wo er seinen Dingen (Hobbies, Interessen) nachgeht. Sein Beruf wird ihm meist immer nur ein Mittel zum Zweck sein, und bestenfalls als Job durchgehen der ihm das nötige finanzielle Budget für seine Hobbies ermöglicht.

Im es auf den Kern zu bringen jedoch, bei Schizoiden läuft die emotionale Wahrnehmung parallel zur Verstandswahrnehmung - das "Problem" dabei ist, dass die Beiden sich nie treffen und ineinander übergehen. Allem voran mit der Liebe, und Hingabe ergeben sich hier Probleme, da Schizoide das Fühlen so erleben, als das es ihre Existenz, ihr Ich, ihr Wesen, ihr Dasein bedroht - weshalb Schizoide sein, laut Riemann, die Angst vor dem Ich-Verlust darstellt. Auch werden Affekte und andere (emotionale) Kurzschlussreaktionen meist so unterdrückt, dass sie irgendwann gar nicht mehr auftreten.

Zurückzuführen ist das meist auf frühkindliche Erfahrungen, wie auch andere soziale Faktoren, über die man keinen Einfluss hat als Kind, weshalb es auch irgendwo einfach schicksalsbhängig ist - da sich niemand seine Eltern, und/oder das Millieu aussuchen konnte, in das er geboren wurde. Hier sei aber noch mal betont, dass es sich um eine Form der Angst handelt - entsprechend lässt sich dies zurückführen auf mangelnde Erfahrungen in dem Bereich. Erfahrungen lassen sich jedoch nachholen, sofern man bereit dafür ist, dran zu arbeiten. Natürlich ist das auch leichter gesagt, als getan.

In Extremformen kann Schizoide sein ohne Probleme zu Neurosen und Psyschosen führen die einem Realitätsverlusst gleichen, da die kognitive Wahrnehmung so verzogen wird das Extremfälle wirklich alles, was um sie herum passiert, auf sich selbst und ihr Wesen beziehen. Das Zentrum des Universums, Paranoia deluxé.

Allerdings, wie erwähnt, gibt es viele Graustufen zwischen den Extremen, und nicht zuletzt wird jeder sich in seinem Buch, und in der Beschreibung der vier grundlegenden Ängste wiederfinden.

Was aber das eigentliche Zitat angeht, ich fühle mich mental und weise wie ein 60-Jähriger, aber meine Barmherzigkeit ist nicht vorhanden. Meine Fähigkeit zu lieben wird von mir selbst gehemmt, aus Angst davor mich selbst zu verlieren/verlaufen. Somit bin ich derzeit lediglich die Hälfte von dem was man als 'liebevollen alten, weisen Greis' bezeichnen könnte.

Allerdings bin ich keineswegs gefühlsblind, ich entscheide mich lediglich dazu, sie zu ignorieren / unterdrücken. Nun gut, bisweilen probiere ich sie Schritt für Schritt in meinen Altag zu integrieren um Ausgeglichener zu werden - aber das sind Babyschritte und ich bin noch weit weg vom Ziel ;)

Therapie oder lernen, damit klar zu kommen?
31.01.2013 von silentrunning

Noch was ganz Subjektives zur Ausgangsfrage.

Beides schließt sich vielleicht nicht aus. Ich bin inzwischen überwiegend in der Lage, meine eigenen Gefühle lesen zu können (ich meine damit: mitzukriegen _ich_ bin hektisch, verwirrt oder anderes", und nicht "irgendwas Diffuses, für das ich kein Wort/keine Sprache habe, läuft in mir ab").

Massive "Leseaussetzer" habe ich nur noch in bestimmten Situationen. Dann habe ich überhaupt keine Ahnung mehr, ob da etwas rein Körperliches abläuft wie Herzrasen, zuckende Nerven im Solarplexus etc, oder ob das eigentlich nur der Niederschlag meiner aktuellen Gefühlslage ist. Es haut mich also manchmal noch aus der Kurve, aber es ist nicht mehr der Dauerzustand. Worüber ich sehr froh bin.

Was einem hilft, ist vermutlich unterschiedlich. Bei mir hat sich die Lesefähigkeit wohl auch auf dem Umweg über Körperwahrnehmungsübungen verändert. Ein erster Hinweis in diese Richtung kam von einem Therapeuten, bei dem ich wegen Depressionen in Behandlung war. Er kam auf die Idee, dass ich solange mit meinem räumlichen Abstand zu ihm spielen sollte, bis ich ein Gefühl von "das stimmt jetzt" hätte. Diese Gefühl war am Anfang so schwach oder leise, dass ich nicht wusste "ist das Rauschen oder ein Signal?" Irgendwie konnte ich aber nach und nach das Gefühl "stimmt jetzt/stimmt nicht" durch solche Übungen klarer wahrnehmen.

In eine ähnliche Richtung gehen auch die scheinbar einfachen Übungen in dem Buch von Angelika Wagner ("Gelassenheit durch Auflösung innerer Konflikte"), die mir geholfen haben. Bei ihren Übungen geht es darum, bewusster wahrzunehmen, was man hört, sieht, als körperlichen Eindruck hat etc.
Komischerweise - vielleicht, weil diese scheinbar ganz einfachen Übungen bei allen Teilnehmern auch beruhigend wirken -, kann ich manchmal anschließend auch komplexere eigene Gefühle eher wahrnehmen. Als ob die eine etwas eindeutigere Kontur kriegen.
Auch bei diesen Übungen veränderte sich etwas über die Zeit - also nicht durch "einmal machen und gut", sondern durch gewisse Wiederholungen. Ich kann jedenfalls heute manche eigene Gefühle leichter lesen.

Und wenn's bei mir so richtig diffus wird, greife ich auf die Übungen zum inneren Team von Schulz von Thun (Bd 2) zurück. Da versucht man über das Malen von eigenen Anteilen, den Gefühlen Namen zu geben. Manchmal sehe ich erst zwei Tage später plötzlich "ah, in meinem inneren Zirkus gibt es eine Stimme, die protestiert, weil sie sich bedrängt fühlt." Danach kann ich besser entscheiden, was ich mit der diffusitätsauslösenden Situation mache.

Für mich gilt also beides: Einerseits akzeptieren. Ich bin auch heute noch manchmal sehr langsam beim Durchblicken durch meine eigenen Gefühle. Zugleich habe ich aber auch, unter anderem durch eine Therapie, ein paar Grenzen verschieben können. Und ein paar Tricks für den Umgang mit mir selbst gelernt.

Vielleicht passen solche „Umwege“ ja auch für jemand anders …

Viele Grüße
silent

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