Thema: Habe ich Alexithymie oder bin ich einfach nur schräg drauf/depressiv?

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Habe ich Alexithymie oder bin ich einfach nur schräg drauf/depressiv?
06.04.2013 von Markus1980

Hallo,

ich bin neu hier (schon wieder so einer) und auf der Suche nach Antworten.

Und zwar frage ich mich, ob ich auch unter Alexithymie leide, oder eben nicht. Insbesondere weil ich so einige Beschreibungen relativ widersprüchlich finde.

Also ich habe den Test auf dieser Seite gemacht und mir wurde als Ergebnis ausgegeben, dass ich starke Anzeichen zeigen würde. Generell sehe ich mich auch als recht gefühlsarm und eher als Kopf-Menschen. Als ich früher die alten Star Trek-Folgen gesehen habe war ich schon recht fasziniert vom Charakter des Mr. Spock, also eben den absolut logischen Vulkaniern.
Auf der anderenseite finde ich aber in den Beschreibungen (z. B. bei Wikipedia) auch manche Punkte, von denen ich nicht sagen könnte, dass sie auf mich zutreffen.


Was ich nie so recht leiden kann ist, wenn ich begrüßt werde in Verbindung mit einem „Wie geht es dir?”. Bei dieser Frage weiß ich irgendwie nie wirklich, wie ich antworten soll. Meistens sag' ich dann sowas wie „Normal“, „So wie immer” oder hin und wieder auch mal was in der Art wie „Verglichen mit den hungerndern und zukunftsperspektivlosen Menschen in Afrika sehr gut.”

Dann aber wiederum lese ich, dass Alexithyme (ist das der richtige Begriff für die Personen, die es haben) auch Probleme haben Emotionen bei anderen zu erkennen. Das ist bei mir allerdings nicht so. Zumindest bilde ich mir ein, die Emotionen anderer relativ normal deuten zu können (ich will natürlich nicht ausschließen, dass ich mich da irre).

Ich habe auch einen recht guten Sinn für Humor würde ich sagen. Auch wenn dieser vielleicht ein wenig speziell ist. Aber Leute die mich kennen kann ich durchaus zum Lachen bringen.

Außerdem ist es so, dass ich nicht grundsätzlich ohne Emotion bin. Wenn ich zum Beispiel bestimmte Filme sehe und es da emotionale Wendungen gibt, dann kommt es durchaus vor, dass mir die Tränen das Gesicht runter laufen. Allerdings ist mir sowas „im richtigen Leben” noch nie passiert, sondern immer nur bei Filmen, oder auch bei bestimmter Art von Musik.

Sozial bin ich relativ inkompetent. Ich habe eigentlich keine nennenswerten Freunde und tue mich auch äußerst schwer damit neue Bekanntschaften zu schließen. Ein wenig schwingt da immer so der Spruch mit, den man kleinen Kindern oft sagt: „Sprich nicht mit Fremden!” So ein wenig bin ich wohl nicht über diese Phase herausgekommen.
Ich hatte mit meinen 33 Jahren auch noch nie eine richtige Freundin. Bis letztes Jahr war ich sexuell gesehen auch noch Jungfrau.

Auch vielen „gesellschaftlichen Ereignissen“ kann ich nichts abgewinnen: Parties, oder Volksfeste (Kirmessen o. ä.) meide ich, weil ich mich dort überflüssig und fehl am Platz fühle. Ich trinke auch keinen Alkohol (aus geschmacklichen Gründen, igitt). Feiertage finde ich eher störend, weil sie den Alltagsrhythmus unterbrechen und Geburtstage ignoriere ich bewusst. (Warum soll man jemandem dafür gratulieren, dass er nichts geleistet hat, außer ein weiteres Jahr am Leben zu bleiben?)

Im Grunde bin ich auch ziemlich gleichgültig allem gegenüber. Also es gibt kaum Dinge, von denen ich sagen könnte, dass sie mir Freude machen und zudem bin ich bisweilen extrem antriebslos. Ich war deswegen auch schon ein paar Mal in Behandlung wegen Depression. Da gab' es zumindest den Antrieb betreffend Besserung, aber die Freudlosigkeit habe ich irgendwie behalten.
Bei meiner letzten Therapie, die bis irgendwann letztes Jahr ging habe ich den Begriff »Alexithymie« dem Therapeuten gegenüber auch mal fragend erwähnt. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern (achja, ich tendiere auch ein wenig zu Vergesslichkeit) aber ich glaube er meinte was in die Richtung dass es nicht so relevant wäre.

Ich kann aber durchaus auch gelegentlich ausrasten. Im Normalfall zwar nur verbal, aber insbesondere bei manchen Spielen bin ich ein extrem schlechter Verlierer. In meiner Kindheit habe ich mehr als ein „Mensch ärgere dich nicht”-Spielbrett zerlegt.

Auch habe ich hier im Forum gelesen, dass Menschen mit Alexithymie wohl keine so rechte Lust am Sex verspüren. Da bin ich mir auch nicht sicher, inwieweit das auf mich zutrifft. Wie oben gesagt hatte ich bis letztes Jahr nie „richtigen“ Sex. Was ich aber mache ist Onanieren – und zwar nicht zu knapp: zwischen 3 und 15 Mal am Tag. Im Grunde eine richtige Sucht… oder ein Zwang; ich weiß nicht genau wo da der Übergang ist. Jedenfalls mache ich dies schon so lange ich denken kann, also mindestens seit 30 Jahren.
Was den „richtigen“ Sex angeht: Ist irgendwie kompliziert. Zum einen ist da das Problem, dass ich im Genitalbereich physisch nicht so unheimlich empfindlich bin; vermutlich eine Folge von zu viel „Handarbeit“; das macht das Erlebnis als solches schon relativ unspektakulär und führt dazu, dass ich deutlich länger brauche um zum Höhepunkt zu kommen, als wenn ich Onaniere. Wenn ich es überhaupt schaffe. Das wiederum führt dazu, dass ich das ganze eher als relativ lästige „sportliche Übung“ ansehe und Sport, bzw. Bewegung allgemein, gehört zu den Dingen, die ich nicht mag. (Kurzer Einwurf: Ich weiß eigentlich immer recht genau, wenn ich eine Sache nicht mag, was mir aber extrem schwer fällt ist zu definieren, ob ich etwas mag.)
Die grundsätzliche Lust auf den Sex ist aber schon irgendwie da, was zu der recht interessanten Situation führt: Liege ich mit einer Frau im Bett und kuschele, würde ich am liebsten zum Akt übergehen. Kaum habe ich mit der Penetration angefangen wird es mir schon zu anstrengend und ich würde lieber wieder kuscheln (aber ich kann ja nicht direkt wieder aufhören). Sind wir wieder beim Kuscheln, geht es von vorn los …

Wenn ich die kleinen Kinder meiner Geschwister sehe (also meine Nichten und Neffen), dann denke ich schon, dass ich etwas für sie empfinde. Ich bin mir nur nicht sicher, inwieweit es sich dabei um familiäre Liebe o.ä. handelt.
Oft weiß ich auch nicht, ob ich wirklich ehrlich bin, wenn ich zu jemandem sowas sage wie „Ich hab' dich lieb” oder „Ich liebe dich”. Ich bin da manchmal der Meinung ich würde lügen und habe diesbezüglich ein schlechtes Gewissen. Viel lieber würde ich dann sowas sagen wie „Du bist mir wichtig”, glaube dann aber auch, dass es für das Gegenüber kränkend wäre, weil eben mehr erwartet wird.


Im Grunde ist es ja so, dass ich mich weder als »glücklich«, noch als »unglücklich« bezeichnen würde. Trotzdem habe ich irgendwie den Eindruck (oder „das Gefühl”), mir würde irgendetwas fehlen. So habe ich eine gewisse Sehnsucht danach »glücklich« zu sein. Ich würde mich gerne mehr über Dinge freuen, mehr Freunde haben und eine ordentliche Beziehung, besser noch eine eigene Familie.

Was würdet ihr sagen? Habe ich Alexithymie und sollte mich damit abfinden, oder bin ich vielleicht einfach nur ein extrem ambivalenter Mensch mit Depression?


Ich seh' grad, das mein Text ziemlich lang geworden ist. Wer bis hierhin gelesen hat: Vielen Dank.
Für Antworten ebenfalls meinen Dank.

Antwort auf vorherigen Beitrag
08.04.2013 von Anonym

Hallo,

alexithyme Merkmale sind keine digitalen Eigenschaften, die man komplett hat oder gar nicht hat. Die Merkmale können in verschiedenen Ausprägungen und Kombinationen vorhanden sein können, oder auch nicht. Viele häufig erwähnte Merkmale sind zudem abgeleitete Merkmale, die oft mit Alexithymie in Verbindung gebracht werden, aber nicht zur eigentlichen Definition von Alexithymie gehören. Ein solches abgeleitetes Merkmal ist das von dir erwähnte Interesse an Sex. Einige Alexithyme haben kein Interesse an Sex, andere haben sehr wohl Interesse an Sex. Ob deine Haltung zu Sex im Zusammenhang Alexithymie eher als Interesse für Sex, oder Desinteresse an Sex gewertet wird, kann wahrscheinlich nur ein erfahrener Therapeut sagen. Allerdings wird im TAS-20 auch nicht direkt nach Sex gefragt, wenn ich mich richtig erinnere.

Alexithymie und Depression schließen sich meines Wissens nicht gegenseitig aus. Du könntest also durchaus depressiv sein und gleichzeitig zumindest einige alexithyme Eigenschaften haben. Auch bei anderen psychischen Störungen treten alexithyme Merkmale auf.

Deine Beschreibung zeigt einige Merkmale, die auch bei Alexithymie vorkommen. Das Testergebnis scheint das zu bestätigen.
Alexithymie hast du nach vorherrschender Meinung, wenn du im TAS-20 (nicht dem Onlinetest hier) mehr als 60 Punkte von 20 bis 100 möglichen Punkten hast. Ob du unter Alexithymie leidest, kannst nur du sagen.

Wenn du allerdings in Therapie warst, würde ich zunächst einmal dem Therapeuten glauben, dass Alexithymie bei dir nicht besonders relevant ist. Zumindest legen deine Schilderungen nicht nahe, dass die Einschätzung des Therapeuten auf jeden Fall falsch ist. Ich kenne mich aber nicht mit Depressionen aus und kann nicht beurteilen, ob irgend etwas gegen die Diagnose Depression spricht.

Grüße



Gehd
20.07.2013 von Ken

Hallo Threadsteller,
ich hoffe du liest das noch. Mir kommen deine Sachen sehr bekannt vor. Ich habe große Ähnlichkeiten mir dir.


Was ich nie so recht leiden kann ist, wenn ich begrüßt werde in Verbindung mit einem „Wie geht es dir?”. Bei dieser Frage weiß ich irgendwie nie wirklich, wie ich antworten soll. Meistens sag' ich dann sowas wie „Normal“, „So wie immer” oder hin und wieder auch mal was in der Art wie „Verglichen mit den hungerndern und zukunftsperspektivlosen Menschen in Afrika sehr gut.”

Auch ich kann nicht so viel mit „Wie geht’s dir denn so?“ anfangen, da ich einfach nicht weiß wie ich mich in diesem Moment fühle. Kommt bei mir ständig vor.

Dann aber wiederum lese ich, dass Alexithyme (ist das der richtige Begriff für die Personen, die es haben) auch Probleme haben Emotionen bei anderen zu erkennen. Das ist bei mir allerdings nicht so. Zumindest bilde ich mir ein, die Emotionen anderer relativ normal deuten zu können (ich will natürlich nicht ausschließen, dass ich mich da irre).

Da denke ich kann ich ebenfalls noch gut mithalten.


Außerdem ist es so, dass ich nicht grundsätzlich ohne Emotion bin. Wenn ich zum Beispiel bestimmte Filme sehe und es da emotionale Wendungen gibt, dann kommt es durchaus vor, dass mir die Tränen das Gesicht runter laufen. Allerdings ist mir sowas „im richtigen Leben” noch nie passiert, sondern immer nur bei Filmen, oder auch bei bestimmter Art von Musik.

Bei mir war das in der Kindheit stärker, und ich hab stark angefangen zu flennen. Letztes mal war das bei dem Film „Die Vermessung der Welt“. Ansonsten kann ich mich erinnern, dass ich mal wegen Kleinigkeiten angefangen hab zu weinen, wodurch ich so als sensibel abgestempelt worden bin.


Sozial bin ich relativ inkompetent. Ich habe eigentlich keine nennenswerten Freunde und tue mich auch äußerst schwer damit neue Bekanntschaften zu schließen. Ein wenig schwingt da immer so der Spruch mit, den man kleinen Kindern oft sagt: „Sprich nicht mit Fremden!” So ein wenig bin ich wohl nicht über diese Phase herausgekommen.
Ich hatte mit meinen 33 Jahren auch noch nie eine richtige Freundin. Bis letztes Jahr war ich sexuell gesehen auch noch Jungfrau.


Ich habe immerhin so 1-2 Freunde, wobei mir persönlich einfach ein Gefühl bzw. eine 100% Überzeugung noch fehlt das sie Freunde für mich sind. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde sie sind meine Freunde.
Ich bin 22 und ebenfalls noch Jungfrau und hatte ebenfalls noch keine Beziehung gehabt.


Auch vielen „gesellschaftlichen Ereignissen“ kann ich nichts abgewinnen: Parties, oder Volksfeste (Kirmessen o. ä.) meide ich, weil ich mich dort überflüssig und fehl am Platz fühle. Ich trinke auch keinen Alkohol (aus geschmacklichen Gründen, igitt). Feiertage finde ich eher störend, weil sie den Alltagsrhythmus unterbrechen und Geburtstage ignoriere ich bewusst. (Warum soll man jemandem dafür gratulieren, dass er nichts geleistet hat, außer ein weiteres Jahr am Leben zu bleiben?)

Da bin ich ebenfalls sehr ähnlich wie du, vermeide eher auch Partys oder Feste, weil ich mich einfach nicht wohl fühle bzw. eher nichts fühle. Ich finde Alkohol ebenfalls ekelig.


Im Grunde bin ich auch ziemlich gleichgültig allem gegenüber. Also es gibt kaum Dinge, von denen ich sagen könnte, dass sie mir Freude machen und zudem bin ich bisweilen extrem antriebslos.

Geht mir ähnlich, ich hab auch Schwierigkeiten Spaß und Freude an einer Sache zu entwickeln bzw. jemals so etwas empfunden zu haben. Selten blitzt das mal auf, aber eine Kontinuität finde ich bis jetzt gar nicht. Bei wenigen Sachen spüre leicht eine gewisse Freude, aber es ist eher eine unangehme Freude.


Wenn ich die kleinen Kinder meiner Geschwister sehe (also meine Nichten und Neffen), dann denke ich schon, dass ich etwas für sie empfinde. Ich bin mir nur nicht sicher, inwieweit es sich dabei um familiäre Liebe o.ä. handelt.

Auch ich habe Probleme meine eigene Eltern zu sagen, dass ich sie Liebe, wobei ich die eher hassen würde. Mir fehlt da ebenfalls einfach das Gefühl.



Evt. eine kleinen Beitrag noch zu meiner Vorgeschichte: Meine Mutter ist psychisch krank und schon damals gab es seltsame Besonderheiten an mir.
Ich habe zwei psychatrische Klinik Aufenthalte hinter mir. Zuerst wurde ich mit schwere Depression diagnostiziert und dann mit einer Vorstufe von Schizophrenie, wobei ich beim zweiten nicht einverstanden damit bin. Aktuell bin ich in therapeutischer Behandlung.

Hast du körperliche Beschwerden? Weil Alexithymie äußerst sich auch sehr stark körperlich. Ich habe nicht so starke Beschwerden, aber ich habe einen empfindlichen Magen-Darmtrakt, seltsame unvorhergesehene Pochen bzw. Pulsieren an unterschiedliche Körperstellen, Müdigkeit und damit einhergehende Konzentrationsprobleme.

Wär super wenn du dich noch mal hier meldest.

Grüße

Antwort
03.11.2013 von Jens

Hi,
auch ich bin neu hier und ich könnte einige Passagen von dir kopieren und in meinem Text gerade einfügen.
Ich denke, dass es kein schwarz weiß gibt sondern verschiedene Arten. Bin allerdings auch kein Experte und habe mich bis jetzt auch nicht an das Thema groß heran getraut. Was bei mir auffällt ist, dass ich mittlerweile ziemlich starke körperliche Reaktionen zeige. Pochen, kribbeln, Druck, was ein gemuliches kuscheln so gut wie unmöglich macht. Das ist immwr stärker heworden.

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