Thema: Kann man Gefühle nicht auch lernen? / Erfahrungen mit Drogen?

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Kann man Gefühle nicht auch lernen? / Erfahrungen mit Drogen?
29.04.2014 von Sonrisa

Hallo an alle,

ich habe mir in letzter Zeit einiges über Alexithymie angelesen und glaube, dass mein (Ex-?) Freund auch einige Merkmale davon aufweist.
Wir sind/waren 3 Jahre zusammen und vor ein paar Tagen haben wir uns derart gestritten, dass er seine Sachen gepackt und Schluss gemacht hat. Seit dem ist Funkstille …
Einerseits bin ich irgendwie erleichtert, weil mir langsam die Kraft für diese Beziehung ausgeht und andererseits habe ich natürlich die Hoffnung, dass wir uns wieder zusammenraufen.

Diese Hoffnung habe ich, weil ich ihn natürlich liebe und weil ich während unserer gemeinsamen Zeit doch einige – wenn vielleicht auch kleine – Veränderungen bemerkt habe:
Beispielsweise hat er am Anfang unserer Beziehung mal gesagt, dass er NIE irgendetwas oder irgendjemanden vermisst. Das hat mich zu diesem Zeitpunkt völlig verwundert. Ich dachte, er sagt das nur um stark und cool zu wirken, aber im Laufe der Zeit habe ich in einigen Situationen schon bemerkt, dass er Sehnsucht nach etwas oder jemandem nicht wirklich empfinden kann (will?) …

Ich glaube aber, dass wir inzwischen schon ein ganz schönes Stück zusammen gewachsen sind und vor ein paar Monaten hat er mich doch wirklich bei einem Wiedersehen umarmt und mir ins Ohr geflüstert: „Wie kann man jemanden nur so vermissen!“

Er ist durchaus in der Lage, Gefühle zu zeigen, z. B. hat er sich auf unsere gemeinsamen Urlaube gefreut und die Tage gezählt wie ein kleines Kind vor Weihnachten.
Ich weiß und fühle auch, dass er mich bedingungslos liebt.

Ich habe ihm auch schon mehrmals gesagt, was ich brauche, wenn es mir mal nicht gut geht, weil er anscheinend nicht gelernt hat, was man tut, wenn jemand weint und Trost braucht. Und er hat es auch schon einige (wenige) Male geschafft, mich in Krisenzeiten zu umarmen und mich aufzubauen.
Mir ist bewusst, dass ich auch einige Baustellen habe, vor allem was die Themen Selbstwert, Sich-Annehmen-Können usw. betreffen und ich an mir arbeiten muss um nicht mehr so von der Bestätigung meines Partners abhängig zu sein. Es ist auch nicht mein Wunsch, dass sich mein Partner 100%ig in mich hinein versetzen kann (das geht m.E. sowieso nicht) oder mit mir mitweint oder sich all meiner Probleme annimmt!

Jedoch, wenn es um Gefühle und Empathie geht, sind wir wahrscheinlich ziemlich verschieden – ich bin wohl oft sehr sensibel und er eher rational (vielleicht gefühlsblind)?

Jedoch möchte ich irgendwie daran glauben, dass man Gefühle auch lernen kann und ein paar Beweise (wenn auch kleine), von denen ich oben geschrieben habe, gibt es ja (für mich).
Was meint ihr denn dazu?
Ich meine, das ganze Leben besteht doch aus Gefühlen, oder?
Wenn der Mensch älter wird und irgendwann merkt, dass es mit ihm zu Ende geht, schaut er doch auf sein Leben zurück und erinnert sich an die großen Gefühle, die er in seinem Leben hatte … Momente, in denen er besonders glücklich und auch traurig war, enttäuscht, dankbar, zufrieden …
ODER??

Des Weiteren beschäftigt mich die Frage, welchen Einfluss Drogen auf Alexithymie haben (da mein (Ex-?)Freund durchaus reichhaltige!!! Erfahrungen damit gemacht hat und macht!)?
Allgemein heißt es ja, das bestimmte Substanzen die aktuelle Stimmung und Gefühle für den Moment verstärken, sodass ich manchmal glaube, dass er bestimmte Dinge konsumiert (hat), um mal überhaupt etwas zu fühlen!?
Weiß jemand, ob aber regelmäßiger Konsum vielleicht die Alexithymie verstärken kann (so, wie es ja bei Depressionen bspw. angenommen wird)?

Ich würde mich über ein paar Beiträge von euch sehr freuen!

Liebe Grüße,

Sonrisa

Antwort auf vorherigen Beitrag
01.05.2014 von Anonym

Hallo,

Ich weiß und fühle auch, dass er mich bedingungslos liebt.
Wie geht das? Oder doch nur eine Hoffnung?

Jedoch möchte ich irgendwie daran glauben, dass man Gefühle auch lernen kann und ein paar Beweise (wenn auch kleine), von denen ich oben geschrieben habe, gibt es ja (für mich).
Was meint ihr denn dazu?

Alexithymie ist sehr wahrscheinlich ein stabiles Merkmal. Ich meine Forschungsergebnisse gelesen zu haben, nach denen Alexithyme mit gleichzeitigen psychischen Problemen nach einer Therapie zwar diese psychischen Probleme überwunden hatten, aber weiterhin alexithym waren. Es ist IMHO sehr unwahrscheinlich, dass Alexithyme Gefühle lernen. Wahrscheinlich spielt auch die Ursache, angeboren oder aufgrund eines Traumas, der Alexithymie eine Rolle.

Die vermeintlichen Beweise können auch einfach daher kommen, dass er gar nicht alexithym ist, er versucht deine Erwartungen/Wünsche zu erfüllen, er Worte verwendet, die du zwar mit bestimmten Gefühlen verbindest, die er aber gar nicht in dieser Form hat usw.

Ich meine, das ganze Leben besteht doch aus Gefühlen, oder?
Für alexithyme Menschen ist das nicht so.

Wenn der Mensch älter wird und irgendwann merkt, dass es mit ihm zu Ende geht, schaut er doch auf sein Leben zurück und erinnert sich an die großen Gefühle, die er in seinem Leben hatte … Momente, in denen er besonders glücklich und auch traurig war, enttäuscht, dankbar, zufrieden …
ODER??

In der Situation war ich noch nicht, aber warum sollte das zwangsläufig so sein? Man kann sich doch einfach an wichtige Ereignisse erinnern? Oder gar nicht zurück blicken? Merkt man überhaupt wenn es zu Ende geht, oder ist das eine romantische Vorstellung aus Büchern und Filmen?

Weiß jemand, ob aber regelmäßiger Konsum vielleicht die Alexithymie verstärken kann (so, wie es ja bei Depressionen bspw. angenommen wird)?
Ein sehr schwieriges Thema, wie Alexithymie überhaupt. In einer Untersuchung findet sich, glaube ich, z.B. die Aussage, dass Drogenkonsum bei Alexithymen mit Depressionen die Depressionen und die alexithymen Merkmale verstärkt hat. Bei einer Kontrollgruppe ohne Depressionen, zeigte der Drogenkonsum auch bei den Alexithymen, keinen verstärkenden Einfluss. Wie fast immer bei solchen Studien, gab es aber nur wenige Teilnehmer. An solchen Studien nehmen ja gerne nur wenige Dutzend, junge, weißhäutige Studentinnen aus der westlichen Kulturwelt teil, die Ergebnisse kann man unterschiedlich interpretieren usw. Ich würde es so interpretieren, dass es bei Alexithymen mit Depressionen durch Drogenkonsum zu verstärkter Depression kommen kann, dass die verstärkte Depression, wiederum alexithyme Merkmale hervorbingen kann, aber dass Drogenkonsum Alexithyme im eigentlichen Sinn nicht verstärkt.

Du solltest jedenfalls nicht erwarten, dass seine evtl. vorhandenen alexithymen Merkmale weniger werden, wenn er keine Drogen mehr nimmt.

Grüße

Antwort auf Sonrisas Beitrag
05.06.2014 von wave

Hola Sonrisa,
Nun, ich glaube auch nicht, dass Drogenkonsum oder Absetzen von Suchtmitteln dauerhaften Einfluss auf Gefühlsmanagement haben. Ich versuchte gegen Depressionen durch Jobverlust, finanzieller Abhängigkeit, Nischendasein anzugehen, zuzumachen, und kam nirgends hin, die Löcher wurden tiefer.
Kann man Gefühle lernen, wohl nicht, sie zeigen lernen, ja - Schauspielerei.
Liebe, Emphatie, Freude, Dankbarkeit, Mitleid, Trauer, Scham sind Fähigkeiten, die bei mir nicht eingebaut sind. durch Schauspielerei kann ich das eine Zeitlang kompensieren, bis ich eben durchschaut werde, oft mit argen Folgen.
Mit deinem Freund kann ich mich identifizieren, nur denke ich, das er ein besserer Mensch ist.
Alexithymie steht nicht alleine da, ich leide am Asperger Syndrom und glaube, Alexithymie ist Teil davon. Hätte meine Schwester mir nicht gesagt, dass sich ihre Freundin in mich verknallt hat, hätte ich es nie bemerkt, die wenigen Bekanntschaften, die ich hatte gingen alle bald zu Ende, wohl, weil ich zu kurz und zu wenig darauf einging, so wird es mir immer wieder vorgeworfen.
Dein Freund ist beziehungsfähig, wenn dir an ihm liegt, wirst du mehr und dauernd investieren müssen, viel Erfolg!
LG, wave

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