Thema: Traum zur Alexithymie

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Traum zur Alexithymie
19.01.2012 von Elana

Traum zur Alexithymie
19.01.2012 von Elana

Hallo ihr!

Heute Nacht hatte ich einen Alptraum zu meiner Alexithymie: In drei Szenen stoße ich jeweils wegen meiner Alexithymie an meine Grenzen und fühle mich hilflos ausgeliefert:

In der ersten Szene will mir eine Auftraggeberin wie meine Mutter eine Jacke zum Kauf aufnötigen, was ich eigentlich gar nicht will, aber kann meine wahren Gefühle nicht ausdrücken, fühle nur den Widerstand in mir, kann es aber aufgrund der Situation und der notwendigen Höflichkeit nicht abweisen. Mein Vater kommt dazu und ich bitte ihn, mir das Geld für diese aufgenötigte Jacke, die ich gar nicht will, vorzuschießen, aber er gibt mir nur wertloses Spielgeld und drückt mir einen Papierbeutel mit weiteren Verpflichtungen auf, worauf ich zu protestieren versuche, doch bringe ich die Worte nicht heraus, ich kann meine Gefühle nicht ausdrücken. Es bleibt in meinem Halse stecken und durchdringt meinen Nacken als unermesslichen Körperschmerz.

In der zweiten Szene schleppt meine Schwester ihre Freundinnen und den Anhang ihrer Familie zu mir in mein Geheimzimmer, wo ich eigentlich niemanden haben will, sie legen sich alle bequem hin und lassen sich fallen. Auch mein Bekannter aus dem Net ist dabei. Seine Fotos sind aufgestellt, er macht sich ganz gut. Ein kleiner dunkelhaariger Junge, ein Anverwandter, setzt sich vertraulich neben mich und spricht erwartungsvoll von Geburtstag, er will wohl ein Geschenk. Sie alle wollen irgendwie von mir betüttelt werden und ich schweige wortlos dazu, auch wenn sie meinen intimsten Raum eingerannt und vereinnahmt haben, ich kann nichts sagen, mir fehlen die Worte für meine Gefühle, die irgendwo da sind und doch wieder nicht. Stattdessen breitet sich Erschöpfung in mir aus, ich bin so müde und möchte mich einfach hinlegen und nicht darüber nachdenken.

In der dritten Szene stehe ich mit meiner Mutter in der Bahnhofunterführung und will ein Ticket aus dem Automaten holen. Es herrscht viel Betrieb in der Unterführung, ein Kommen und Gehen. Meine Mutter drängt mich zur Eile und bringt mich damit total durcheinander. Nun stehe ich stattdessen vor meinem PC mit ihr und suche verwirrt den Zettel, den ich hingelegt hatte, den ich muss doch meinen Neffen anrufen. Doch der Zettel ist nicht da, meine Mutter hatte einfach etwas verschoben und verändert auf meinem Tisch, sodass jetzt durch die Verwirrnis mit ihr die wichtige Verpflichtung unterzugehen droht, so wie der Zettel verschwunden ist. Ich will mich gegen die Vereinnahmung meiner Mutter wehren, kann die Worte dafür aber fast nicht herausbringen in der Aufregung. Durch den Stress, den mir meine Mutter bereitet, fühle ich mich jedoch so sehr in die Enge getrieben, dass ich einzelne abgehackte Satzfragmente schnaubend verzweifelt von mir stoße, damit sie mich in Ruhe lässt. Aber sie empfindet dies als brüsken Jähzorn und lässt nicht ab von mir, ist sogar noch beleidigt. Der Ganzkörperschmerz in meinen Muskeln verkrampft sich immer mehr, als würden meine undefinierbaren Gefühle der Abwehr direkt in die Nervenbahnen der Muskeln fließen und diese verkrampfen. Nun versuche ich, meiner Mutter auf analytische Weise, also ohne Gefühlsbeteiligung, zu erklären, dass sie immer noch nicht verstehe, sie diese Situation nicht ausnützen dürfe, denn ich kann meine Gefühle zu diesem Vorfall nicht ausdrücken, es nur als Schmerz fühlen.

Kommentar:

Mein Traum widerspiegelt sehr realistisch meine Lebenssituation. Meine Mutter ist tatsächlich sehr vereinnahmend, will mir ständig Jacken aufschwatzen und bringt mich mit unzähligen Anliegen immer wieder in diese Selbstverteidigungssposition. Auch mein Vater half mir diesbezüglich nie, sondern fand sogar mein Abwehren gegenüber der Mutter respektlos, obwohl es ihn selbst stets nervte, wenn die Mutter auch mit seinen Kleidern so übergriffig umging. Meine Schwester legt sich tatsächlich immer hin, wenn sie mich sieht, und will dann von mir rundum versorgt werden.

Im realen Leben erlebte ich es tatsächlich auch oft, dass mir die Worte fehlten und nach ihnen rang, mich aber nicht ausdrücken konnte, wenn es um meine Gefühle ging, obwohl ich sonst sehr redegewandt bin. Nicht aber, wenn es um meine Gefühle ging. So empfand ich sogar einmal meinen Arzt derart bestimmend über mich, weil ich ihm nicht sagen konnte, was mir fehlte, wie ich mich fühlte, dass ich nur weinte, weil die Schmerzen so stark waren, ich ihm das aber nicht mitteilen konnte, auch nicht, dass er jetzt zu schnell darüber hinweggehe und nicht auf mich eingehe, ich fand keine Worte, es war einfach nur dieses beklemmende Gefühl in mir.

Kennt ihr das auch? In der Fachliteratur wird davon gesprochen, dass Alexithymiker deshalb zu kurzen, abgehackten Affektausbrüchen neigen sollen, weil sie sich nicht artikulieren können in solchen Momenten.

Re: Traum zur Alexithymie
19.01.2012 von Anonym

Hallo,

[quote:2hioxc55] Im realen Leben erlebte ich es tatsächlich auch oft, dass mir die Worte fehlten und nach ihnen rang, mich aber nicht ausdrücken konnte, wenn es um meine Gefühle ging, obwohl ich sonst sehr redegewandt bin. Nicht aber, wenn es um meine Gefühle ging.[/quote:2hioxc55]
Ich habe eher das Problem, dass die im Zusammenhang mit Gefühlen von mir gesprochenen Worte beim Gegenüber anders ankommen, als ich es gemeint habe. Auch wenn ich vorher lange überlegt habe, was ich sage.

[quote:2hioxc55] In der Fachliteratur wird davon gesprochen, dass Alexithymiker deshalb zu kurzen, abgehackten Affektausbrüchen neigen sollen, weil sie sich nicht artikulieren können in solchen Momenten.[/quote:2hioxc55]
Wenn ich bei mir von Affektausbrüchen sprechen kann, dann ist das in der Regel Wut. Das liegt aber nicht daran, dass ich mich in diesem Moment nicht artikulieren kann. Es baut sich vielmehr langsam auf. Das kann über Monate und Jahre gehen. Ich schlucke vieles. Aber irgendwann ist das Fass voll. Dann explodiere ich. Das bekommt dann der Verursacher des letzten Tropfens ab. Selbst wenn es der einzige Tropfen war, den dieser Verursacher beigetragen hat.

Da du die Ansichten anderer Betroffener wissen willst, ist vielleicht diese Seite für dich interessant: http://nalexithymie.blogspot.com/

Re: Traum zur Alexithymie
20.01.2012 von Elana

Danke für den Link, der ist wirklich interessant, hab ihn gleich abgespeichert. ;)

Bei meiner Mutter mit auch eindeutig alexithymen Zügen (bei ihr sogar noch mehr als bei mir, sie hat mich nie von sich aus geküsst in meiner Kindheit) braucht auch lange, um wütend zu werden (ich selbst kann kaum wütend werden, nur rigide, aber ohne eigentliches Wutempfinden), aber wenn meine Mutter mal wütend wird, ist sie wie ein blinder Orkan. Meine jähzornige, depressive Schwester schaffte es tatsächlich, sie so weit zu bringen, das ist schon fast eine Leistung, meine Mutter aus der Fassung zu bringen. Meine Mutter kann auch nicht weinen. Ich schon, aber dann eben scheinbar grundlos. Ich kann es oft nicht zuordnen. Mein Vater hatte auch alexithyme Züge. Ihre Ehe war denn auch eigentlich eine Vernunftehe (die aber Jahrzehnte hielt), weil beide irgendwie sehr vernünftig und pragmatisch dachten. Aber mein Vater war der Umarm-Typ, doch dafür überhaupt nicht fähig, über Gefühle zu sprechen. 10% der Bevölkerung soll alexithym sein, das sind viele und irgendwie sind sie da draußen und eben auch in der eigenen Familie. Meine Eltern konnten sich kaum je an Träume erinnern. Mein Vater glaubte sogar für eine Weile, er träume gar nicht. Ihn habe ich 1-mal im Leben weinen sehen, nur 1-mal und auch da nicht richtig.

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