Thema: Trennung von Partner mit Alexithymie

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Trennung von Partner mit Alexithymie
24.06.2015 von Apfelbluete

Fast 10 Jahre lang hatte ich einen Partner, der zwar distanziert und wenig hilfsbereit war, der aber auch meine "beste Freundin" war, mit dem ich immer und über Alles reden konnte.
Seit 1 1/2 Jahren wurde die Beziehung für uns beide anstrengend, ich hatte das Gefühl, er würde immer rücksichtsloser, Kompromisse waren nicht möglich. Er litt darunter, dass ich die Situation besprechen wollte. Wir haben uns immer mal wieder getrennt, konnten das dann aber nicht durchhalten. Jetzt hat er vor 3 Wochen den Schlussstrich gezogen, er meint, ich würde immer wieder "Beziehungsgespräche" mit ihm führen wollen, das würde ihn fertig machen. Ich habe fälschlich angenommen, er würde nicht verstehen, was ich empfinde, und ich müsse es ihm nur noch besser erklären, damit er mir so begegnet, wie normale Partner das tun. Das hat ihn gestresst.
2 Wochen nach der Trennung, bei der er mitteilte, dass er seit 1 Jahr sexuelle Kontakte außerhalb der Beziehung hatte, allerdings auf völlig emotionsfreier Basis, habe ich herausgefunden, dass er Alexithymie hat. Er hatte hier im Online Test 130 Punkte.
Ich bin kein Alexi, aber wenn ich von dieser Störung bei ihm vor 1 1/2 Jahren gewusst hätte, hätten wir uns gegenseitig weniger Stress bereitet. Ich wäre dann in der Lage gewesen, Vieles nicht persönlich zu nehmen.
Problematisch ist, dass wir Arbeitskollegen sind, die sich häufig sehen und er nach wie vor mein bester Freund ist. Wir teilen viel Hobbys.
Ich komme nicht von ihm los. Im Moment überlege ich ernsthaft ob ich in der Lage bin, irgendwann seine regelmäßigen Besuche bei Prostituierten zu ertragen und eine so offene Beziehung mit ihm zu führen, wie er das offensichtlich braucht, nur um ihn nicht ganz zu verlieren. Nach dem Beziehungsstatus gefragt würde ich antworten: In einer offenen Beziehung, die zur Zeit auf Eis liegt.
Mir geht es nicht gut dabei. Wahrscheinlich bin ich viel gestörter als er.
Gibt es hier Partner oder Ex-Partner von Alexis, die mir einen Rat geben können? Oder auch Alexis selber?
Wer so einen Partner nicht kennt, wie meine Freunde vor Ort, kann meine Situation unmöglich verstehen, daher suche ich Hilfe hier im Forum.


Opfer
24.06.2015 von headmatter

Opferst Du Dich gerne auf? Falls ja, ideale Ausgangsposition für diese Beziehung. Klingt zynisch, meine ich aber genau so: Wenn Du Befriedigung daraus ziehst, Deine eigenen Bedürfnisse zugunsten der Bedürfnisse anderer zurückzustellen, ist er der passende Partner.

Denn: Zugeständnisse machst Du, nicht er. Und er wird auch keine machen. Er lebt in einer anderen Welt. In der man nur richtig entspannt ist, wenn diese Emotionskacke der Normalos einen nicht nervt. Deshalb anonymer Sex, deshalb Freundschaften, bei denen gemeinsame Aktivitäten (und nicht die gefürchteten Gefühlsduseleien oder der Wunsch nach Kuscheln etc. *grusel*) im Vordergrund stehen.

So ist es und so wird es bleiben. Alexythemie kann man nicht an- und abstellen wie einen Lichtschalter. Und ein Alexi wird auch nicht durch die aufopferungsvolle Liebe eines anderen Menschen schmelzen wie Wachs & endlich erkennen, wie schön Gefühle sind - das ist HOLLYWOOD.

Aufopferung
24.06.2015 von Apfelbluete

Danke für Deinen Beitrag.
Ich opfere mich gerne auf, muss wohl so sein, denn sonst hätte ich es nicht 10 Jahre ausgehalten, obwohl so Vieles fehlte, was für andere Paare normal ist.
Mein "Ex" ist allerdings im Bezug auf Sex und kuscheln ein Sonderfall, das braucht er, das tut ihm gut, Hauptsache kein Stress dabei, zu der Prostituierten geht er erst, seit ich so "anstrengend" geworden bin, aber mir ist klar, er wird das nicht mehr sein lassen. Bestenfalls seltener machen.

Die letzten 1 1/2 Jahre waren für mich stressig, weil ich befürchtete, er würde sich in eine Jüngere verlieben und mich verlassen. Darum wollte ich plötzlich Beweise für seine Gefühle. Was er nicht leisten konnte. Ich wurde schrecklich eifersüchtig. Durch die Diagnose jetzt hat sich für mich alles grundlegend geändert. Er verliebt sich in keine Andere, dass er eine Beziehung zu mir hat ist ein solcher Sonderfall für ihn, der passiert im Leben nicht zweimal. Ich hätte also die Chance, mir die selben Freiheiten zu nehmen wie er, denn er kennt keine Eifersucht. Ich könnte tun und lassen, was ich will und hätte immer einen Freund an meiner Seite, der zuhört, Zeit für mich hat, mit mir Hobbys teilt, Sex mit mir hat. Ich würde durchaus profitieren, mein Pech ist, ich bin von Grund auf monogam veranlagt.
Die Frage ist, muss ich mich aufopfern? Ich habe ihm das Leben angenehm gestaltet, das war mir zuletzt zu einseitig, aber was ich für andere mache (wir wohnten nie zusammen) und wie oft ich ihn sehe, das kann ich entscheiden.
Könnte das mit einem Alexi funktionieren?
Wenn ich egoistischer werde, dann kann es mir gut gehen.
Ich habe die letzten 1 1/2 Jahre zu Vieles gemacht, was ich nicht wollte, nur um ihn zu halten. Das war in seinem Fall komplett nutzlos, eher kontraproduktiv. Weil ich Gegenforderungen aufgestellt habe, wurde ich zum Stress für ihn. Wenn ich gut für mich selbst sorge und mit ihm meinen Spaß habe - könnte es wieder entspannt werden.

Verbiegen
24.06.2015 von headmatter

Eins muss Dir klar sein: Ändern muss Du Dich. Anpassen musst Du Dich. Er wird es nicht tun.
Zähl mal für Dich auf, was Dir fehlt, was er Dir nicht bieten kann. Und NIE bieten wird. Wiegt der Rest das auf?

Kommst Du wieder an den Punkt, an dem Du das Gefühl hast, nicht geliebt zu werden? Wo es Dich quält, dass emotional so wenig zurückkommt? Wo Du das Gefühl hast, er ist nicht großzügig (siehe Seitensprünge), sondern indifferent? Überleg es Dir gut.

Alternative
24.06.2015 von Apfelbluete

Schon sonderbar, die letzten 3 Wochen waren die Hölle, kaum gegessen, kaum geschlafen, in der Brust ein Gefühl, als wäre etwas rausgerissen, zu kaum einem klaren Gedanken fähig.
Ich wäge ja nicht ab, wie ist die Beziehung mit ihm im Vergleich zu einem anderen fühlenden Partner, sondern ist es mit ihm mit all seinen Einschränkungen besser als allein?

Meine ganzen Probleme hier mal so offen schreiben zu können, hilft mir schon sehr.
Bestimmte Dinge kann ich ja mit niemandem besprechen, den ich kenne. Z.B. ist der Besuch bei einer Prostituierten Untreue oder eine ganz andere Ebene?

Ich bin eigentlich tolerant, ich wollte für ihn nie die "Einzige" sein, es reichte mir immer, die "Wichtigste" zu sein, die "Vertraute".
Kann ein Alexi das leisten, dass eine Person die Wichtigste ist und bleibt, womöglich lebenslang? Oder ist das auch wieder ein Gefühl, zu dem er nicht fähig sein kann? Denn wenn das utopisch ist, dann muss ich jede Hoffnung aufgeben, dass es wieder gut wird.

Böhmische Dörfer
25.06.2015 von headmatter

Du verstehst vielleicht etwas völlig anderes unter "die einzige" und "die wichtigste" sein. Du siehst das aus Deiner Perspektive, aus der Perspektive eines Menschen, der unter Leute geht, Bekanntschaften macht, sich austauscht, vielleicht flirtet, Freunde hat usw. und dann immer wieder aus solchen Momenten heraus immer wieder zu dem Menschen zurückkehrt, der der wichtigste ist: die vertrauteste, intimste Person.

Ein Alexi kann loyal sein. Er ist das aber, weil er indifferent ist und weil er statisch ist. Natürlich bist Du wichtig. Aber Du bist auch lästig, weil Du etwas bestätigt haben willst, was nicht bestätigt werden kann: Du willst Intimität, tiefe, emotionale Nähe. Ich schreibe diese Worte, weil ich diesen Anspruch an mich auch kenne. Ich schreibe diese Worte auch wenn ich nicht weiß, was zum Teufel das sein soll. Es ist so, als würdest Du von ihm nmbdqwz'))\µ872xr3 verlangen: WAS zum TEUFEL meinst Du damit? Die Wörte "Nähe", "Intimität", "Vertrautheit" usw. kennen wir auch. Aber sie scheinen für Euch etwas völlig anderes zu bedeuten. Etwas sehr lästiges, wie eine Forderung nach einer Million €, die man auch nicht hat und nie wird liefern können und die man letztlich gar nicht schuldig sein kann.

Danke
25.06.2015 von Apfelbluete

@headmatter

danke für Deine aufschlussreichen Worte.
Mich hier äußern zu können hat mir sehr geholfen, weil beim Schreiben mein Denken klarer wurde und Deine Antworten mein Verständnis für ihn erweitert haben.

Die letzten Monate habe ich Forderungen an ihn gestellt, die er nicht erfüllen konnte - ich wusste es nicht besser. Das hat ihm Stress bereitet. War nicht meine Absicht.

Jetzt weiß ich besser, wie er tickt, aber ich bin nicht in der Lage dazu, so auf ihn zuzugehen, dass es ihn nicht stresst. Der nächste Krach wäre vorprogrammiert. Für mich war die Trennung schlimm, besonders die ersten 2 Wochen, die habe ich überstanden. Würden wir uns zusammenraufen, hätte ich das irgendwann nochmals vor mir. Ich akzeptiere, dass es einfach nicht passt.
Deine Unterstützung war überaus hilfreich.

gute Entscheidung
25.06.2015 von headmatter

Gut zu lesen, danke.

Weißt Du, Alexis können gute Freunde im Sinne guter Sparringpartner sein: Weil sie sachlich bleiben. Weil sie loyal sein können. Sind sind gut für den Kopf, gut für's Brainstorming. DARIN fühlen sich viele von uns auch wohl. Man kann gut gemeinsame Aktivitäten ausüben, weil Aktivitäten ein fest strukturiertes Gerüst bilden und es ein Sachthema gibt, gemeinsame Interessen, die verbinden. Das genügt einem Alexi oft vollauf, es nimmt den für uns starken Stress raus, den Emotionen oder besser gesagt: die Erwartung von Emotionen mit sich bringen.

So einer war er sicher auch, denke ich.

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